Bericht aus Berlin von Filiz Polat und Luise Amtsberg

Liebe Leserinnen und Leser,

mit besten Grüßen aus der „politischen Sommerpause“ möchten wir Ihnen/Euch gern einen flüchtlingspolitischen Rückblick auf die letzten Wochen im Bundestag geben. 

Seenotrettung/Lifeline

Mit dem Vorwurf, die humanitären Seenotrettungsorganisationen seien ein „Pullfaktor“ für die Flucht über das Mittelmeer, wird die zivile Seenotrettung immer weiter kriminalisiert. Schiffe werden beschlagnahmt, Kapitäne vor Gericht gestellt, Booten wird die Einfahrt in sichere Häfen verweigert. Mit Blick auf die massive Gewalt in Libyen, den zahlreichen Konflikten in Europas Nachbarschaft und den vielen Toten auf dem Mittelmeer, ist diese Argumentation mehr als zynisch. Die Grüne Bundestagsfraktion stellt sich solidarisch an die Seite der zivilen Seenotrettung und bewegt das Thema immer wieder auch parlamentarisch. So hat Luise Amtsberg jüngst gemeinsam mit dem SPD Abgeordneten Frank Schwabe ein parlamentarisches Frühstück initiiert, das großen Zulauf fand. Außerdem war Luise Amtsberg mit dem Hamburger Grünen MdB Manuel Sarrazin an Bord der Lifeline, welcher 6 Tage lang die Einfahrt in einen sicheren europäischen Hafen durch Malta und Italien verweigert wurde. Einen ausführlichen Eindruck von der Notsituation an Bord findet Ihr in Luise Amtsbergs Interview mit der taz. Eine Einschätzung über die Verhandlungen auf europäischer Ebene könnt Ihr im Interview bei Tagesschau 24 nachsehen. Zudem hat die Grüne Bundestagsfraktion einen Antrag zur Lifeline ins Parlament eingebracht. Die Rede zur Debatte von Luise Amtsberg findet Ihr hier. 

Afghanistan

Nachdem die Kanzlerin nun verkündet hat, dass Abschiebungen nach Afghanistan nicht mehr „nur“ auf hartnäckige Identitätstäuscher, Gefährder und schwere Straftäter beschränkt bleiben soll, fand am 03. Juli eine Sammelabschiebung von 69 Menschen nach Afghanistan statt, die mit dem Suizid eines 23-jährigem abgeschobenen Afghanen, einen traurigen Höhepunkt fand. Für uns ist, auch mit dem neuen Lagebericht des Auswärtigen Amtes, absolut nicht nachvollziehbar, wie die Kanzlerin zu der Einschätzung kommt, es könne wieder Abschiebungen aller, auch gut integrierter Afghanen, geben. Der Bericht ist (erneut) thematisch äußerst lückenhaft (siehe hierzu Luises Gespräch mit dem BR), nimmt zwar die Bedrohungslage der afghanischen Sicherheitskräfte, Amtsträger und NGOs in den Blick, fokussiert aber völlig unzureichend die Bedrohungslage für Zivilisten. Diese Fluchtursachen sind aber elementar für die Beurteilung des Schutzanspruches in Deutschland.

Sichere Herkuftsländer

Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf des Bundesinnenministers zur Einstufung der drei Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien befasst. Es soll nach der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden. Die Grüne Bundestagsfraktion lehnt das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten weiterhin ab (Interview von Luise Amtsberg in der Saarbrücker Zeitung). Dieses Mittel führt weder dazu, dass das individuelle Asylbegehren unvoreingenommen geprüft wird, noch verringert es die Ursachen von Flucht aus dem Heimatland. Im Gegenteil: wenn man ein Land als sicher einstuft, behindert man das Engagement der Zivilgesellschaft in ihrem Kampf um mehr Rechtsstaatlichkeit. Gerade in den drei Maghrebstaaten ist das fatal. Dort ist zB die Diskriminierung von Homosexuellen gesetzlich manifestiert. Auch das Argument der Bundesregierung, es handle sich ja nur um geringe Schutzquoten, ist krude. Gerade da, wo Verfolgung nicht so offensichtlich zutage tritt, muss intensiver und nicht weniger geprüft werden ob Asylgründe vorliegen. 

Masterplan Migration

Seit Wochen erleben wir nun das Seehofersche Trauerspiel mit dem Titel "Masterplan Migration". Dazu könnt Ihr/ können Sie ein paar Kommentare von Filiz Polat nachlesenschauen und hören. Bei der Aktuellen Stunde zum „Masterplan“ hat sich für unsere Grüne Fraktion Filiz Polat mit deutlichen Worten positioniert. Jenseits dieser furchtbaren Giftliste konzentriert sich die Auseinandersetzung, um die Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Geflüchteten an der deutsch-österreichischen Grenze (mehr hier), bei dem auch die SPD weitgehende Kompromisse eingegangen ist (Statement). Am 10.07. hat Problemminister Seehofer seine Asylrechtsverschärfungen offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt (mehr dazu von der Fraktion und das gemeinsames Pressestatement von Filiz Polat und Luise Amtsberg). Seehofers Ziel ist es eine „Asylwende“ einzuleiten („Ordnen, Steuern und Begrenzen“), d.h. die Externalisierung des Flüchtlingsschutzes wird mit Druck auf Herkunfts- und Transitländer vorangetrieben, die Solidarität in der EU wird weiter abgebaut, die Rechte der Schutzsuchenden werden massiv eingeschränkt und Unterstützer*innen werden weiter kriminalisiert. Dabei haben wir ca. 20 Punkte im „Masterplan“ identifiziert, welche Gesetzesänderungen notwendig machen könnten, so dass wir schon bald wie in den vergangenen Jahren mit weiteren „Asylpaketen“ auch im Bundesrat rechnen müssen.

Anker-Zentren 

Seehofer setzt nun neben den ausgrenzenden  AnkER-Zentren, an den Grenzen zu Österreich auf sog. Transitzentren. Trotz massiver Kritik (siehe Filiz Statement) und fehlendem Konzept schreitet die Regierung auch ohne Zustimmung der meisten Bundesländer weiter voran und sucht bereits Personal für die AnkER (siehe Kleine Anfrage und schriftliche Frage vom 10.07.18). Unsere Antwort dazu: AnkERzentren, NEIN DANKE!

Integration

Das absolute Desinteresse Seehofers an der Gestaltung unseres Einwanderungslandes und sein fehlender Respekt gegenüber den teilnehmenden Organisationen und aller Migrant*innen zeigte sich erneut als er nicht zum Integrationsgipfel am 13. Juni erschien (vollständiges Statement von Filiz Polat). Auch unsere Fragen zu den Verhandlungen um den UN-Migrations- und den UN-Flüchtlingspakt wurden leider nur oberflächlich und schwammig beantwortet. Die Bundesregierung hat keine konkreten Antworten zum Verhandlungsstand und zu Verhandlungspositionen (Gemeinsames Statement). Auch die Pläne des Bundesinnenministeriums zu der Zukunft der Islamkonferenz sind mehr als ernüchternd. Die Unterstützung der Bundesregierung zur Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts ist ein wesentlicher Schritt für die Muslime in Deutschland und sollte ein zentrales Thema in der Konferenz sein (Filiz Polats Statement). Im Rahmen um die Diskussion zu einem Einwanderungsgesetz sind weiterhin keine innovativen Schritte zu verzeichnen und das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz droht zur Luftnummer zu werden. Die Bundesregierung darf bei diesen Thema nicht länger nur halbherzige Versprechen machen, sondern muss endlich ein echtes, modernes Einwanderungsgesetz vorlegen (hier das ganze Statement von Filiz Polat und ein Beitrag beim DLF).

Unsere grüne Forderung ist eindeutig: Endlich gestalten statt spalten!

BAMF

In einer dritten Sondersitzung zum vermeintlichen BAMF-Skandal haben wir die ehemaligen Innenminister Friedrich, de Maizière und den ehemaligen Kanzleramtschef Altmaier gehört. Das Ergebnis war erwartet ernüchternd. Während Altmaier und de Maizière zumindest Fehler eingeräumt haben, blieb Friedrich auf dem Standpunkt, dass in seiner Amtszeit keinerlei Verantwortung lag. Das ist vor dem Hintergrund, dass er das BAMF bei steigenden Flüchtlingszahlen zu einer Personalabbaubehörde gemacht hat, mehr als unwürdig. Es zeigt aber erneut, dass man der Regionalpartei CSU nicht die Verantwortung über so ein wichtiges Bundesministerium überlassen darf. Nach der Sommerpause wird eine Bilanzsitzung des Innenausschusses zu den Vorkommnissen in Bremen stattfinden, in der wir weiter beraten, wie parlamentarisch weiter vorgegangen werden soll. In diesem Kontext werden wir auch den von Seehofer neu eingesetzten BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer treffen. Zu den Vorfällen in Bremen möchten wir Euch/Ihnen gern den Bericht von Monitor mit Statements von Luise Amtsberg nahelegen und hier schon ankündigen, dass wir selbstverständlich nach der Sommerpause Initiativen zur Verbesserung der Arbeitsweise des Bundesamts einbringen werden. 

Rechtswidrige Abschiebungen

Die rechtswidrige Abschiebung des jungen afghanischen Flüchtlings Nasibullah S. zeigen erneut die fundamentalen Defizite in der Arbeit des BAMF aber auch die Unfähigkeit von Innenminister Seehofer. Es ist mehr als befremdlich, dass der Bundesinnenminister zwar große Worte über Aufklärung der Missstände im BAMF schwingt, letztlich aber völlig untätig bleibt wenn es darum geht, diese abzustellen. Die nun wiederholte Schlamperei im Prozessreferat des BAMF führt dazu, dass Menschen rechtswidrig abgeschoben werden, obwohl noch Gerichtsverfahren laufen. Dieses sollte den Minister mindestens genauso interessieren, wie die jüngsten Vorwürfe über vermeintlich durch das BAMF zu Unrecht positiv beschiedener Asylanträge. Luise Amtsbergs ausführliches Statement gibt es hier. Dieser und weitere Fälle von Abschiebungen (z.B. Sami A.) ans Tageslicht, die grundlegende Fragen der Rechtsstaatlichkeit aufwerfen. Die Umstände der Abschiebungen müssen genau untersucht werden, vor allem auch die Rolle von Bundesinnenminister Horst Seehofer, des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, sowie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Deshalb haben wir eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt und die Teilnahme des Bundesinnenministers eingefordert. Wir fordern eine umgehende Aufklärung der Vorfälle und der Verantwortlichkeiten vor dem Innenausschuss. Das Parlament muss umfassend informiert werden (das Statement dazu von Filiz Polat gibt es hier).

Haushalt/ Innenetat

In der letzten Woche vor der Sommerpause haben wir in der Haushaltswoche den Innenetat verabschiedet. Die Rede unserer Innenkollegin Irene Mihalic dazu ist äußerst sehenswert.

Beste Grüße und einen schönen Sommer!

Filiz Polat und Luise Amtsberg