Filiz Polat in der Aktuellen Stunde zum Krieg in der Ukraine (18. März 2022)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland und Europa stehen vor der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland hat mit dieser Bundesregierung gezeigt, dass es jetzt darauf ankommt – mehr denn je –, die Geflüchteten in den Mittelpunkt zu stellen und sich nicht über Zahlen und Obergrenzen zu zerstreiten.

Ich glaube, unsere Koalition kann froh sein, dass sie mit Ministerin Nancy Faeser jemanden in Brüssel hatte, die es geschafft hat, Europa zu einen und erstmalig nach 20 Jahren in kürzester Zeit die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz zu aktivieren. Das war wichtig und gut so angesichts der wachsenden Zahlen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Frau Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, Sie haben es gesagt: Mit der Aktivierung dieser Richtlinie sind jetzt entsprechende Dinge möglich: Die Menschen haben Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Menschen bekommen den Zugang zum Arbeitsmarkt, und sie bekommen unbürokratisch Zugang zu den Integrationskursen. – Hätten wir diese Richtlinie schon 2015 und 2016 aktivieren können, hätten wir uns einiges von dem erspart, was wir erleben mussten, vor allem den Menschen, die aus Syrien geflohen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Für uns, Bündnis 90/Die Grünen, ist es jetzt wichtig, dass den Worten Taten folgen. Was heißt das? Leider – das muss ich so sagen – ist in unserem Aufenthaltsgesetz nach der Aktivierung der Richtlinie die Rechtsgrundlage der § 24, den ja alle mittlerweile kennen. Im Gesetzestext heißt es leider eben nicht, dass sie uneingeschränkt den Zugang zum Gesundheitssystem haben oder dass sie arbeitsmarktberechtigt sind. Nichtsdestotrotz hat Ministerin Nancy Faeser über den Verordnungsweg es versucht möglich zu machen. Aber wir sind uns nicht sicher, Herr Staatssekretär, ob wir eine bundeseinheitliche Umsetzung hinbekommen; denn wir wissen: In Deutschland und in den Bundesländern regieren unterschiedliche Farbkonstellationen.

Wenn wir eines wollen, dann ist es, dass alle, die aus der Ukraine fliehen, gleichbehandelt werden und alle – wie ich eingangs gesagt habe – unbürokratisch Zugang zu Versorgungsleistungen und zu den Integrationsmaßnahmen bekommen, und zwar von Anfang an, Frau Staatsministerin. Deshalb wollen wir sicherstellen, dass die Menschen Anspruchsberechtigte werden im Hinblick auf einen Integrationskurs, damit sie nicht nur auf dem Zulassungswege und damit abhängig von Kapazitäten einen Zugang bekommen. Wir wollen, dass sie die Erwerbserlaubnis erhalten, ohne Wenn und Aber, und das unabhängig davon, ob sie Drittstaatsangehörige aus der Ukraine oder ukrainische Staatsbürger/-innen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Das zweite Thema ist die Registrierungsfrage. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist angehalten, nach der Aktivierung der Richtlinie ein Register aufzusetzen. Dieses Register wird jetzt erarbeitet; das wurde im Innenausschuss auch so vorgetragen. Es werden viele, viele Mitarbeiterinnen eingesetzt, um so schnell wie möglich die Menschen zu registrieren. Für uns ist es aber wichtig – das haben wir auch deutlich gemacht –, dass die Registrierung schon an den Knotenpunkten erfolgt, damit – Joachim Stamp sitzt ja auch hier – die Geflüchteten, die keine familiären Bezüge haben, klar wissen, in welches Bundesland sie kommen, und die Bundesländer klar wissen, in welche Kommunen sie sie verteilen. Das geht nur mit der Registrierung schon an den Knotenpunkten und nicht erst in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Damit werden wir dann auch der gewachsenen und zunehmend dynamischen Entwicklung der Fluchtbewegung gerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

In diesem Sinne war unsere Forderung, Frau Lindholz, zu verstehen, einen Flüchtlingsgipfel durchzuführen, weil wir nämlich nicht ignorieren, dass in allen Landesparlamenten genau diese Diskussion stattfindet, der Städtetag und der Landkreistag diese Frage an uns adressiert haben. Wir sind uns sicher, dass heute, auch nach der Ministerpräsidentenkonferenz, Bundeskanzler Olaf Scholz einen Schritt auf uns zugeht und diesen Flüchtlingsgipfel einberuft, meine Damen und Herren.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Also, das wäre ja ein Fortschritt!)

Letzter Satz. Ich möchte Joachim Stamp zitieren, mit dem ich in den Koalitionsverhandlungen gemeinsam mit Stephan Thomae und auch Nancy Faeser die Basis für die Neuausrichtung der Migrations- und Flüchtlingspolitik dieser Fortschrittskoalition legen durfte. Lieber Joachim:

Deswegen ist es unsere Aufgabe – so hast du es in der Sondersitzung des nordrhein-westfälischen Landtages gesagt –, dass wir diesem Diktator mit Aufnahmebereitschaft und vor allem mit Mitmenschlichkeit entgegentreten –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin.

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – und dass wir alles dafür tun, uns nicht spalten zu lassen. Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

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