Filiz Polat zum Haushalt des Bundesministerium des Innern und für Heimat (24. März 2022)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene millionenfache Vertreibung führen uns vor Augen: Wenn wir heute über den Schwerpunkt des Haushalts des Ministeriums des Innern und für Heimat sprechen, dann sprechen wir vor allem über Menschen und – das wurde schon gesagt – über einen neuen Stil an der Spitze des Hauses, der es darum geht, in der Flüchtlingspolitik zu gestalten und nicht zu spalten, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ministerin Faesers Kompass ist auf die Menschen ausgerichtet, nicht auf Zahlen. Sie spricht von Verantwortung. Begriffe wie „Sturm“ oder „Lawine“ kommen ihr im Zusammenhang mit Geflüchteten nicht über die Lippen. Meine Damen und Herren, diese Haltung ist es, die unsere Koalition in der Flüchtlingsfrage auszeichnet, und sie unterscheidet sich diametral von Ihnen von der Union, meine Damen und Herren. Mit dieser Haltung hat Frau Faeser in Brüssel dazu beigetragen, dass wenige Tage nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine erstmals seit über 20 Jahren die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz von Vertriebenen aktiviert wurde.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Aber ohne Solidaritätsmechanismus!)

Frau Ministerin Faeser hat es treffend formuliert: Wir retten Menschenleben unabhängig vom Pass.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Nach jahrelangen Streitigkeiten und offener Abschottung zeigte sich die Europäische Union in der Flüchtlingspolitik so geeint wie noch nie. Die Geschlossenheit und Solidarität, mit der die EU-Staaten sich jetzt bei der Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine präsentieren, ist ein wichtiges Signal. Dies muss eine Blaupause für die künftige europäische Flüchtlingspolitik sein, einer Politik, die die Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Die Antwort auf die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg muss sich aber auch maßgeblich im Einzelplan 06 der neuen Ampelkoalition und vor allem in den Beratungen zum Ergänzungshaushalt abbilden; Frau Ministerin, Sie haben es angesprochen.

Wir werden den aktuellen Herausforderungen mit einer Integrationsoffensive begegnen. Wir treten ein für gleiche Rechte von Anfang an, ohne Wenn und Aber und unabhängig vom Pass, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Thorsten Lieb [FDP])

Deshalb müssen jetzt auch die gesetzlichen Weichen gestellt werden – ich hatte das in meiner letzten Rede schon gesagt –, und, Frau Ministerin, die Mittel für die Integrations- und Sprachkurse müssen wir noch deutlich erhöhen.

Teilhabe findet auf vielen Ebenen statt; auch das wurde heute schon gesagt. Ich möchte hier insbesondere den Kommunen danken, die in Vorleistung treten, und all den Freiwilligen, insbesondere auch den ukrainischen Migrantinnen- und Migrantenorganisationen, die die Aufnahme der Geflüchteten mit großem Einsatz ermöglichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Anerkennung dieses Engagements darf sich nicht auf Worte beschränken, sondern muss sich noch stärker im Haushalt widerspiegeln.

Frau Ministerin, ein Alleinstellungsmerkmal Deutschlands ist unser System der Migrationserstberatungsstellen. Auch hier reicht es nicht, die Arbeit der Wohlfahrtsverbände zu loben; man muss sie auch budgetär angemessen ausstatten.

Schließlich gilt es, die vielen Menschen nicht zu vergessen, die ins Asylverfahren gehen. Deshalb muss jetzt die flächendeckende, behördenunabhängige Asylverfahrensberatung kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, was sich selbstverständlich auch im Haushalt abbilden muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, am 7. April wird es ein Gipfeltreffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler geben. Dort wird sich entscheiden, ob die Menschen und ihre Bedarfe im Mittelpunkt stehen oder ob sich diejenigen durchsetzen, die Menschen in Geflüchtete erster und zweiter Klasse einteilen und die Integration ausbremsen wollen.

Zur Teilhabe von Anfang an gehört es, Geflüchtete aus der Ukraine über die Leistungen des SGB zu versorgen.

Sie müssen krankenversichert und in den Arbeitsmarkt integriert werden. Teilhabe gelingt nicht durch das Abstellen ins Sondersystem der Asylbewerberleistungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird auf dem kommenden Flüchtlingsgipfel die zentrale Frage sein, auch in Bezug auf die Kostenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen; denn bleiben die Menschen im diskriminierenden Sondersystem, tragen vor allem die Kommunen die finanziellen Lasten.

Diese Frage erneut über Pauschalen regeln zu wollen, ist ein Griff in die Mottenkiste der CDU und CSU. – Sie hören aufmerksam zu, Herr Kollege. Sie wissen, das ich hier gerade sage.

Unsere Aufgabe ist es nun, dass dieser Haushalt sowie der Ergänzungshaushalt vom Geist unseres Koalitionsvertrages getragen werden. Wir wollen in der Migrations- und Integrationspolitik einen Neuanfang gestalten, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird. Ich freue mich auf die Beratungen, Frau Ministerin.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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