Filiz Polat zum Staatsangehörigkeitsrecht (23. April 2021)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Jahrzehnten der Unsicherheit sollen nun alle Nachkommen von Verfolgten des Nationalsozialismus endlich die ihnen zustehenden Rechte erhalten. Verfolgte, wie Jüdinnen, Juden, Sinti*zze und Rom*nja und viele andere, wurden mit dem Entzug ihrer Staatsangehörigkeit rechtlich zu anderen gemacht, zu Fremden, zu Staatenlosen.

Die Kehrtwende der Bundesregierung zum Ende dieser Legislaturperiode war dringend nötig und überfällig. Die grüne Bundestagsfraktion hat sich wiederholt – nicht nur in dieser Legislaturperiode – für einen gesetzlichen Anspruch eingesetzt und konkrete Vorschläge vorgelegt. Die Erfahrungen aus der bisherigen Einbürgerungspraxis nach Ermessen haben gezeigt, Herr Lindh, dass sich durch Verwaltungsvorschriften allein dieses Unrecht nicht beseitigen, die bestehende Gesetzeslücke nicht schließen lässt.

(Helge Lindh [SPD]: Warum sprechen Sie mich immer an? Selbstgerecht!)

Dieses Gesetz ist weder ein Gnadenakt noch ein Geschenk, sondern die Chance unserer Staatsorgane – und hier möchte ich aus einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde einer Klägerin aus dem letzten Jahr zur Wiedergutmachung im Staatsangehörigkeitsrecht zitieren –, „das Unrecht, das den ausgebürgerten Verfolgten angetan worden ist, im Rahmen des Möglichen“ auszugleichen. Und dem kommt die Bundesregierung jetzt nach, meine Damen und Herren.

Umso größer ist die Entschuldigung voller Demut an all diejenigen, die über Jahrzehnte vergebens um ihre Rechte gekämpft haben. Und ich möchte meinen Dank, stellvertretend für meine Fraktion, ebenfalls an jede Einzelne und jeden Einzelnen aussprechen, die nicht aufgegeben haben, wie beispielsweise die Tochter eines jüdischen Emigranten, die aus eigener Kraft nach sieben Jahren das eben erwähnte Bundesverfassungsgerichtsurteil erstritten hat, oder die schon genannte Article 116 Exclusions Group, die sich mit unermüdlichem Einsatz – Sie wissen das, Herr Krings – für diese Gesetzesänderung eingesetzt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Nachkommen von Zwangsausgebürgerten im Nationalsozialismus sollen ein starkes und klares Signal aus der Mitte des Deutschen Bundestages – so wie sie es sich bei der Anhörung gewünscht haben –, dieses Bekenntnis zur Wiedergutmachung erhalten. Deshalb freuen wir uns auf die Beratungen im Ausschuss. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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