Pressemeldung Nr. 316 vom

Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus Polat: Prinzip „Gießkanne“ statt kohärenter Gesamtstrategie

Zu den vom Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus verabschiedeten Maßnahmenpapier und zum grünen Antrag „Für eine antirassistische und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft - Rassismus bekämpfen, Vielfalt stärken“ erklären Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender, und Filiz Polat, Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik:

Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender:

„Der dringend notwendige Paradigmenwechsel bleibt aus. Die Bundesregierung legt zwar eine lange Liste einzelner Maßnahmen vor, agiert aber ansonsten nach dem Motto "Weiter so". Strukturelle Reformen - Fehlanzeige. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf Einzelprojektförderung und Kampagnen. Eine langfristige, wirkungsvolle und antirassistische Politik erreicht man aber nur über strukturelle Maßnahmen und einen kohärenten, gesamtstaatlichen Ansatz. In vielen Punkten ihrer Vorschläge bleibt die Bundesregierung zu vage, als dass sich deren Wirksamkeit perspektivisch wirklich überprüfen lässt. Genauso unverbindlich bleiben die Ankündigungen im Bereich Demokratieförderung. Ob und wann ein Demokratiefördergesetz kommt, das diesen Namen auch verdient, ist damit weiterhin unklar. Zudem fehlt das klare Bekenntnis zu Deutschland als rassismuskritische Einwanderungsgesellschaft.

Der Maßnahmenkatalog ist nicht der große Aufbruch der nötig wäre, angesichts der dringlichen Appelle aus der (post-)migrantischen Zivilgesellschaft, angesichts der Ausgrenzung und strukturellen Diskriminierung, angesichts von Hass und rassistisch motivierter Gewalt, die viel zu viele Menschen hierzulande ständig erleben müssen.

Die Ergebnisse des Kabinettsausschusses bleiben damit hinter den Erwartungen zurück.

Wir legen mit unserem grünen Antrag eine Roadmap für eine antirassistische Politik vor, die strukturelle Veränderungen schafft, alle politischen Ebenen und Politikbereiche mitdenkt und miteinander verzahnt. Sämtliche Maßnahmen müssen immer wieder überprüft, angepasst und im Zweifel ausgeweitet werden.

Wir wollen und müssen auf einen Pfad kommen, der konsequent zu einer antirassistischen und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft führt.“

Filiz Polat, Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik:

„Unsere grüne Roadmap für die Gestaltung einer chancengerechten Einwanderungsgesellschaft ist ein echter Paradigmenwechsel inklusive struktureller, nachhaltiger Maßnahmen. Die 89 Maßnahmen der Bundesregierung lassen keine kohärente Gesamtstrategie erkennen. Stattdessen regiert das Prinzip „Gießkanne“, außerdem fehlen eine echte Reform des Antidiskriminierungsgesetzes und ein Teilhabegesetz, das allen Menschen echte Partizipation und Repräsentation ermöglicht.

Zivilgesellschaftliche Arbeit, die sich gegen Rassismus und für unsere plurale Demokratie einsetzt, muss strukturell und finanziell nachhaltig gefördert werden. Es braucht deshalb endlich ein Demokratiefördergesetz auf Bundesebene. Die ständige Projektförderung auf Zeit muss ein Ende haben. Ob sich die Zivilgesellschaft diesmal auf die vage Ankündigungen der SPD verlassen kann, steht in den Sternen.

Für einen effektiven Diskriminierungsschutz braucht es neben der längst überfälligen Reform des Antidiskriminierungsgesetzes und der Schließung bestehender Schutzlücken im privaten und öffentlichen Bereich auch die finanzielle und personelle Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zudem wollen wir ein flächendeckendes Netz von qualifizierten und unabhängigen Melde- und Beratungsstellen etablieren.

Außerdem muss Teilhabe und Partizipation strukturell gefördert werden. Statt einer „Einbürgerungsoffensive“ braucht es endlich eine liberale Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und das kommunale Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer.

Doch über diese Forderungen will die Bundesregierung nicht diskutieren. Bereits morgen sollen in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses die Mittel beschlossen werden. Wir sehen strukturellen und institutionellen Handlungsbedarf und werden dies im Parlament am Freitag auf die Tagesordnung setzen. Die Debatten der letzten Monate dürfen nicht zu einer vertanen Chance werden.“

*Den Antrag „Für eine antirassistische und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft - Rassismus bekämpfen, Vielfalt stärken“ finden Sie HIER. (Der Antrag wird am 27. November 2020 als TOP 27 im Deutschen Bundestag beraten).

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